Der Ermordeten würdevoll gedenken: Kriegsgräberstätte am Nord-West-Friedhof wird untersucht und umgestaltet
HANSESTADT LÜNEBURG. – Teile der Gräber sind überpflanzt worden, Grabsteine verwittert und die Namen und Lebensdaten vieler Ermordeter unvollständig oder fehlerhaft. „Dieser Ort wird den Opfern nicht gerecht.“ Darin sind sich Lüneburgs Friedhofsleiter Hans Hockemeyer, Dr. Carola Rudnick, Leiterin der „Euthanasie“-Gedenkstätte Lüneburg und Jan Effinger, Geschäftsführer vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge Bezirksverband Lüneburg/Stade einig.
Auf der Kriegsgräberstätte auf dem Nord-West-Friedhof sind überwiegend Patient:innen aus der Heil- und Pflegeanstalt beerdigt, die Opfer der dortigen Krankenmorde oder einer Mangelversorgung wurden. „Viele von ihnen kommen aus dem Ausland, sie wurden bewusst entfernt von deutschen Toten beerdigt“, erklärt Rudnick. Auf den 84 Grabsteinen stehen falsche Namen, Jahreszahlen sind fehlerhaft und Angaben zur Herkunft fehlen ganz. „Das werden wir ändern“, sagt Rudnick, die mit ihrem Team die Namen und Geschichten recherchiert hat.
Verdacht, dass noch mehr Opfer dort begraben wurden
Der Neugestaltung vorausgehen werden allerdings Sondierungsarbeiten und Bodenuntersuchungen an ausgewählten Gräbern. Denn es besteht der Verdacht, dass mehr Opfer hier begraben wurden, als die Steine es nahelegen, sagt Rudnick: „Wir wissen von deutlich mehr Menschen mit ausländischer Herkunft, die zwischen 1940 und 1950 in der Pflege- und Heilanstalt starben und wir vermissen in Bezug auf die Opfer der `Ausländer-Euthanasie´ mindestens 30 Gräber.“
Wie andernorts könnten daher gleich zwei oder drei ermordete Zwangsarbeiter:innen in ein Grab auf dem ehemaligen „Ausländergräberfeld“ des damaligen Anstaltsfriedhofes gelegt worden sein. Ob und wo es solche Mehrfachbelegungen gegeben hat, sollen Sondierungen durch einen Fachmann vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. zeigen.
Untersucht wird dabei auch, ob es mehr als die zwei bekannten Grabreihen gibt. „Je nach Ergebnis wird es unsere Aufgabe sein, auch die bislang nicht benannten weiteren Ermordeten in gebührender Weise bei der Neugestaltung zu berücksichtigen“, sagt Friedhofsleiter Hockemeyer.
Dies sei nicht nur eine moralische Verpflichtung, sondern auch eine gesetzliche: „Das angemessene und dauerhafte Gedenken der Opfer ist im Gesetz über die Erhaltung der Gräber der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft festgeschrieben“, betont Hockemeyer. Dementsprechend werde die Hansestadt nach der Neugestaltung im Tiergarten und nach der nun anstehenden Umgestaltung am Nord-West Friedhof perspektivisch auch die Anlagen auf dem Zentralfriedhof in den Blick nehmen.
Zur Umgestaltung: Zeitplan und Kosten
Ab Dezember wird das Team um Hans Hockemeyer damit beginnen, Hecken und Gehölze auf der Anlage in Teilen umzupflanzen und in Teilen zu roden. Sobald die Witterung es zulässt – voraussichtlich im März – finden vor Ort die Sondierungen durch den Mitarbeiter vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge statt – begleitet vom Lüneburger Stadtarchäologen. Erst wenn die Bodenuntersuchungen abgeschlossen sind, beginnt die eigentliche Umgestaltung vor Ort.
Dabei wird die Anlage verbreitert und verlängert, um mehr Raum für das Gedenken von Angehörigen zu geben. Die gesamte Kriegsgräberstätte wird mit einer neuen Hecke eingefasst und die einzelnen Grabsteine durch Beete und Steine eingefasst und sichtbar gemacht.
Die geschätzten Kosten für das Gesamtprojekt inklusive Untersuchungen belaufen sich aktuell auf rund 85.000 Euro. Einen Großteil der Kosten in Höhe von 70.000 Euro übernimmt das Niedersächsische Innenministerium.
Angehörige der Opfer kommen nach Lüneburg
Ziel ist es, die Umgestaltung bis zur Eröffnung des Dokumentationszentrums der „Euthanasie“-Gedenkstätte am 31. August 2025 vollständig abgeschlossen zu haben, denn dann werden auch viele Angehörige von Opfern in Lüneburg sein und den Nord-West-Friedhof besuchen. „Ob es bei diesem Zeitplan bleibt, hängt nicht nur von der Witterung, sondern vor allem auch von Untersuchungen der Anlage ab“, macht Hockemeyer deutlich.
Die Namen und Lebensdaten vieler Ermordeter sind unvollständig oder fehlerhaft, viele Namen wurden einfach „eingedeutscht“. Das soll sich jetzt ändern.
Foto: Hansestadt Lüneburg
Lüneburgs Friedhofsleiter Hans Hockemeyer (Mitte), Dr. Carola Rudnick, Leiterin der „Euthanasie“-Gedenkstätte Lüneburg und Jan Effinger, Geschäftsführer vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge Bezirksverband Lüneburg/Stade (links) mit einem Plan zur Umgestaltung auf der Kriegsgräberstätte am Nord-West-Friedhof.
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