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    Pressemitteilung vom 01.03.2024

    Missbrauchsnetzwerk um ehemaligen Lüneburger Professor: Hansestadt unterstützt bei Aufarbeitung und appelliert an Zeugen, sich zu melden

    HANSESTADT LÜNEBURG. - „Jeder Hinweis – sei es von Betroffenen oder Zeitzeugen – kann bei der Aufarbeitung dieser bestürzenden Vorkommnisse helfen“, sagt Lüneburgs Oberbürgermeisterin Claudia Kalisch. Nachdem bekannt wurde, dass der ehemalige Lüneburger Professor für Sozialpädagogik Herbert Ernst Colla-Müller Teil eines bundesweit agierenden pädokriminellen Netzwerks war, hat die Verwaltungschefin umgehend reagiert. „Ich bin tief erschüttert und bestürzt und habe die Verwaltung beauftragt, alles uns Mögliche zu unternehmen, um die Aufklärung dieser Vorfälle zu unterstützen“, sagt Kalisch.

    Personen, die entsprechende Hinweise zur Pflegestelle des ehemaligen Professors in Adendorf haben, bittet Lüneburgs Oberbürgermeisterin darum, sich jederzeit an das städtische Jugendamt zu wenden. Ansprechpartnerin ist hier Cornelia Wilke, Telefon: 04131 3093573, E-Mail: cornelia.wilke@stadt.lueneburg.de.

    Wissenschaftler:innen aus Hildesheim forschen zu Netzwerk um Helmut Kentler

    Wissenschaftler:innen der Universität Hildesheim hatten kürzlich in Berlin den Ergebnisbericht zu ihrem Forschungsprojekt „Helmut Kentlers Wirken in der Berliner Kinder- und Jugendhilfe“ vorgestellt. Zu den Erkenntnissen dieser Untersuchung zählt die Aufdeckung eines Netzwerks von Pädagogen, durch die pädokriminelle Handlungen umgesetzt, geduldet und legitimiert wurden. Diesem Netzwerk gehörte laut dem Bericht auch Prof. Dr. Herbert Ernst Colla-Müller an, der im Jahr 2009 als Professor für Sozialpädagogik an der Leuphana Universität Lüneburg emeritiert wurde.

    Aus Fallakten von Jugendämtern rekonstruierten die Forschenden, dass Colla 1975 in seinem Haus in Adendorf eine Sonderpflegestelle einrichtete und in den folgenden Jahren mehrere männliche Jugendliche aufnahm. Hierbei ist es den Betroffenenberichten zufolge zu sexualisierter Gewalt durch Colla gekommen. Die Einrichtung der Pflegestelle erfolgte dabei in der Verantwortung des Landesjugendamts Berlin. Belegt wurde die Pflegestelle den Recherchen zufolge vor allem durch das Berliner Landesjugendamt, aber auch durch lokale Jugendämter.

    Aufbewahrungsfrist überschritten: Bisher keine Erkenntnisse aus den Akten

    In welcher Form die Jugendämter in Stadt und Landkreis Lüneburg in die Belegung involviert waren, lässt sich bisher nicht eindeutig beantworten. Stadt und Landkreis hatten die Autor:innen der Studie nach einer entsprechenden Anfrage im Dezember 2021 bei den Recherchen unterstützt.  Mit Einwilligung der Betroffenen wurde in den Archiven von Jugendhilfeakten und Amtsvormundschaften nach Namen und dazugehörigen Pflegeakten gesucht - bisher erfolglos. 

    „Bisher konnten keine Pflegekinder, die im Haushalt von Herrn Colla-Müller gemeldet waren, als solche Kinder identifiziert werden, die durch die Hansestadt Lüneburg vermittelt wurden“, sagt Oberbürgermeisterin Kalisch. Aufgrund der überschrittenen Aufbewahrungsfrist könne die Stadtverwaltung daher weder ausschließen noch bestätigen, dass das städtische Jugendamt die Pflegestelle ebenfalls mit Jugendlichen belegte. „Wir recherchieren aber weiter“, betont Kalisch.

    Dass ein anderes Jugendamt, etwa wie hier aus Berlin, eine Pflegestelle in einer anderen Stadt einrichtet und betreut, ist nach wie vor möglich. Praxis ist es mittlerweile allerdings, dass das örtliche Jugendamt bei einer möglichen Pflegestellen-Überprüfung mit einbezogen wird. Zudem erfolgt mittlerweile nach zwei Jahren eine Übernahme des Pflegeverhältnisses durch das örtlich zuständige Jugendamt. „Das ist ein wesentlicher Baustein, um zu verhindern, dass solche furchtbaren Vorfälle sich wiederholen können,“ so Kalisch.

    Hinweise in dem Fall Colla-Müller nimmt nicht nur das städtische Jugendamt, sondern auch die Universität Hildesheim und die Leuphana Universität Lüneburg entgegen.